Google beschleunigt das mobile Internet

von Claude Settele
Mit Accelerated Mobile Pages will Google das Aufrufen von Webseiten auf mobilen Computern schneller machen. Die Technik erhöht aber die Abhängigkeit vom kalifornischen Internetgiganten.
Das AMP-Projekt soll den Zugriff auf Webseiten mit mobilen Geräten beschleunigen.(Bild: Google)

Das AMP-Projekt soll den Zugriff auf Webseiten mit mobilen Geräten beschleunigen.(Bild: Google)

Jeder zweite Besucher klickt eine Website weg, wenn sie mehr als drei Sekunden zum Laden braucht. Das behauptet der Werbedienstleister Doubleclick in seiner im letzten Herbst veröffentlichten Studie «The need for mobile speed». Laut der Studie benötigen drei von vier Webseiten in einem 3G-Mobilfunknetz für das Laden auf einem mobilen Gerät mehr als 10 Sekunden. Im Durchschnitt sind es sogar 19 Sekunden.

Der Grund für die langsamen Ladezeiten sind komplexe Websites, die nicht nur Bilder, Videos und Animationen enthalten, sondern auch Schriften, Karten und Werbebanner von Drittanbietern. Der Aufruf einer einzigen Webseite kann Dutzende von HTTP-Abfragen auf diversen Servern zur Folge haben.

Nicht-standardisierte Tags

Um dieses Problem zu entschärfen, lancierte Google vor rund einem Jahr das Projekt AMP (Accelerated Mobile Pages). In diesem Zusammenhang wurde die Beschreibungssprache HTML um einige Elemente erleichtert, und es wurden neue, proprietäre Tags eingeführt, die nicht vom Standardisierungsgremium W3C gutgeheissen worden waren. AMP erlaubt keine individuellen Javascript-Dateien, zugelassen ist nur eine Javascript-Bibliothek, die von einem Google-Server abgerufen wird. Die dritte Komponente heisst AMP-Cache: Für die schnelle Auslieferung von Webseiten hat Google ein eigenes, weltumspannendes Content Delivery Network (CDN) aufgebaut, auf dem das AMP-HTML, die Inhalte und die Javascript-Bibliothek gespeichert sind.

Der Erfolg von AMP lässt sich sehen. Wie Google kürzlich an der ersten AMP-Entwicklerkonferenz in New York verkündete, nutzen mittlerweile 860 000 Websites AMP. Jede Woche sollen 35 Millionen AMP-Seiten aufgerufen werden, im ersten Jahr waren es insgesamt 1,7 Milliarden Seiten. Google lieferte an der Konferenz viele Zahlen, die den Erfolg der Initiative belegen sollten.

Der News-Aggregator Reddit zum Beispiel hat inzwischen Dutzende von Millionen mit AMP codierte Webseiten, die 7- bis 30-mal schneller laden sollen als die Desktop-Versionen. Als weiteres Beispiel nannte Google den «Blick». Bereits die Hälfte aller abgerufenen Webseiten des Boulevardblattes soll mit AMP programmiert sein. Die AMP-Version lädt laut Google durchschnittlich in 135 Millisekunden, während die herkömmlichen Seiten mit 2,35 Sekunden ein Mehrfaches dieser Zeit brauchen.

Abhängigkeit von Google wächst

Aus Nutzersicht ist gegen schnelleres Laden von Webseiten nichts einzuwenden, dennoch hat das AMP-Projekt auch viele Kritiker. Die Technik wird von Google zwar als Open-Source-Lösung angeboten, doch gesteuert wird das Projekt vom Suchmaschinenriesen, womit die Abhängigkeit vom grössten Internetkonzern weiter wächst. Wer nicht auf den AMP-Zug aufspringt, muss mit Reichweitenverlusten rechnen. So stellt der Dienst Google News mit AMP aufbereitete Artikel auf mobilen Geräten prominent mit einer Kachel am Kopf der Seite dar. Ausserdem favorisiert Google bei den Suchresultaten auf Mobilgeräten generell Webseiten mit schnellen Ladezeiten. Kritisch zu bewerten ist zudem der Umstand, dass Google via AMP-Cache auch Daten über die Nutzerinteressen sammeln kann.

Web-Entwickler weisen darauf hin, dass sich schnell ladende Seiten auch mittels der Web-Standards HTML5 (Struktur und Inhalte) sowie CSS3 (Layout und Design) realisieren lassen. Der Erfolg des Internets, so die Kritiker, basiere auf einer offenen Architektur. Wohin Sololäufe führten, hätten die 1990er Jahre gezeigt, als die Browser-Hersteller Netscape und Microsoft ohne Unterstützung des W3C-Konsortiums proprietäre Erweiterungen entwickelt hätten. Diese schmälerten das Nutzererlebnis und erschwerten Entwicklern das Leben.

Den Kritikern versichert Googles AMP-Evangelist Paul Bakaus, dass das offene Web mit AMP nicht abgeschafft werde. Dass diese Beteuerung die Kritiker verstummen lässt, ist zu bezweifeln. Anders wäre dies, wenn AMP-HTML vom W3C standardisiert würde. Laut Bakaus sähe Google das sehr gerne.

Zusätzlicher Aufwand für Medienhäuser

AMP ist nicht die einzige Initiative für mobile Webseiten: Auch Facebook hat mit Instant Articles ein Verfahren für die schnelle Darstellung von News entwickelt. Viele Verlage bereiten deshalb ihre Artikel sowohl für AMP wie für Instant Articles auf. Das bedeutet zusätzlichen Aufwand und bewirkt, dass die Surfer Medienartikel im sozialen Netzwerk oder auf Google News lesen, ohne die Originalquelle zu besuchen. Anders als AMP beschränkt sich Instant Articles auf Medieninhalte. Auch ist diese Technik nicht als Open-Source-Lösung verfügbar.

Google ist optimistisch, dass sich AMP bald über das Verlagswesen hinaus etablieren wird, und stellt als Unterstützung auf ampstart.com Vorlagen und Komponenten bereit, die das Erstellung von Seiten mit AMP-HMTL erleichtern sollen. Bereits setzen erste Betreiber von E-Commerce-Sites auf AMP, und mit WordPress und Drupal unterstützen zwei führende Content-Management-Systeme die Technik. Tumblr will noch vor dem Sommer 300 Millionen Blogs in einer AMP-Version publizieren.

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